Porsche 964 Refreshtoration von dp Motorsport im Carrera RS Look
Lesedauer 5 MinutenBrasilianischer Kunde, urschwäbisches Grundkonzept, rheinische Umsetzung: Dieses 1990er Porsche 911 (Typ 964) Carrera 2 Coupé mit Anleihen beim RS verdient das Prädikat „bemerkenswert multinational“.
In Szene gesetzt haben es Patrick Zimmermann und seine Sportwagen-Connaissseure von dp Motorsport im Zuge einer „Refreshtoration“. Hinter dieser kombinierten Begrifflichkeit verbirgt sich meist die teilweise Restaurierung von nicht ganz umfassenden Ausmaßen.
Overath-Immekeppel. Das jüngste Fahrzeugbau- Projekt der Neunelfer-Spezialisten von dp Motorsport ist in vielerlei Hinsicht ein Wanderer zwischen den Welten. Einerseits handelt es sich um das Zitat einer vor mehr als 30 Jahren in Stuttgart- Zuffenhausen aufgelegten Sonderserie, im Detail sind jedoch Abweichungen vom Original – Individualisierungen – zu würdigen. Hinzu kommt, dass die Teilrestaurierung des 1990 gebauten Carrera 2 Coupés im Auftrag eines brasilianischen Neukunden erfolgt ist. Dieser war nach ersten Online-Recherchen per E-Mail-Anfrage auf den Rheinländer Traditionsbetrieb zugekommen. Ein Basisfahrzeug besaß er nicht, umso konkreter waren seine Vorstellungen. Auf eine besondere Deutschland-Tour wollte er sich begeben: Porsche- Museum, Nürburgring, schließlich ein Hausbesuch bei Alois Ruf. Das standesgemäße Transportmittel sollte ein Klon des 1992 eingeführten Carrera 2 der Generation 964 sein. Bei der Internet-gestützten Suche eines guten Gebrauchten sollte dp Motorsport als später ausführender Betrieb beratend unterstützen. Schließlich war ein silbernes Exemplar in Norddeutschland gefunden, erworben und durch einen dp-Mitarbeiter abgeholt worden. Dieser hatte sich, vorsorglich mit einem Klemmbrett ausgestattet, in einen Reisezug gesetzt und auf dem Rückweg erste Eindrücke von der Überführungsfahrt notieren wollen. Dies hätte das weitere Vorgehen abkürzen können. Die wichtigste Erkenntnis: Der online angekaufte C2 besaß keine Klimaanlage – für die spätere Ausfuhr nach Südamerika nicht die allerbeste Voraussetzung.
Für Patrick Zimmermann stand fest, dass sich der klassische Klimakompressor im Motorraum nur unter erheblichem Aufwand nachrüsten lassen würde. Ein elektrisches System englischer Herkunft war da die wirtschaftlich sinnvollere Lösung, zumal die Schleppleistung zu Lasten des Motors bei einer Aftermarket-Variante entfallen würde. Neben dem Wegfall des entsprechenden Riemenantriebs würde auch ein Teil der Gewichtskonzentration nach vorn in Richtung Vorderachse wandern. Die übrigen Maßnahmen: mehr eine Refreshtoration – eine Aufarbeitung in definierten Bereichen – denn eine Frame-Off-Restaurierung. Eine aus dem Porsche- Ersatzteilprogramm stammende Original- Fronthaube aus Aluminium, ein Heckdeckel aus Karbon, die RS-Heckschürze und klares, transparentes Plexiglas – von der Windschutzscheibe abgesehen: Das sind die Styling-Details im Exterieur, das die werksseitige Außenfarbe Silber beibehalten durfte. Einen Großteil seines Charmes bezieht der Carrera 2 (die Nachrüstung erfolgte allerdings nach dem Fotoshooting) aus seinen Original-Magnesium- Rädern in traditionellen 17-Zoll-Abmessungen. Somit gehören wahlweise zwei Rädersätze zum Carrera 2, der ältere war einschließlich der etwas betagteren Original-Bereifung beim Ankauf Teil der Maschine. „Magnesium-Räder gibt es schon noch“, weiß Patrick Zimmermann zu berichten, „auch wenn der erste Schuss heute nicht zwingend ins Schwarze trifft.“ Was er damit meint? „Nun“, erklärt der erfahrene Praktiker, „natürlich weiß man, dass mehr als 30 Jahre alte Magnesium-Räder überprüft und professionell aufgearbeitet werden müssen. Vor allem sollten sie versiegelt werden, um ihre Grundsubstanz zu bewahren. Aber man wundert sich schon, wenn Altbestände zur Überholung angeliefert werden, die dazu eigentlich nicht geeignet sind – durch unsachgemäße Wartung oder durch Witterungseinflüsse kommt es zu Magnesiumfraß, speziell auf der Rückseite, auf der plan anliegenden Auflagefläche der Radnabe. Da frisst sich einiges weg, man schaut oft auf offenes, großporiges Material – und das kann man nicht immer wieder aufspachteln. Das war auch der Knackpunkt, warum wir die Auswahl durchaus kritisch betrachtet haben“.
Erst der zweite – oder war es der dritte? – Satz gebrauchter Original-Magnesium-Räder brachte aber das Potenzial mit, in Zukunft für etwas sportlichere Vorhaben herangezogen zu werden. Die Bereifung: neue Michelin-Semilsicks der Spezifikation „PilotSport Cup“, die dem dynamischen Anspruch der Einteiler entsprechen. Zum Gesamtauftritt gehört wie selbstverständlich auch ein Sportfahrwerk mit sichtbarer Absenkung. KW liefert es, und zwar in Clubsport-Abstimmung: eine visuelle Ergänzung des vom Carrera RS inspirierten Auftritts. Das Interieur hat sich den Außenverhältnissen weitgehend angepasst: Recaro- „Pole Position“-Schalensitze mit Individual- Polsterung, Karbon-Elemente, Clubsport- Überrollbügel aus dem Repertoire von dp Motorsport, Momo-Dreispeichen-Lenkrad des Typs „M07“, schwarze Lederausstattung mit gelb-/ schwarz-/grün kariertem Textil, dazu ein Velours- Teppichsatz in RS-Spezifikation: Das sind die wesentlichen Features im Wageninneren. Das Highlight schlechthin bleibt weitgehend unsichtbar, und das ist beabsichtigt. Die HiFi-Anlage von „Dr. Boom“ macht eindrucksvoll von sich hören. Nur zu sehen ist davon nicht viel, die Laufsprecher oder einen Verstärker sucht der geneigte Beobachter vergebens. Beides ist aber vorhanden, ganz sicher sogar. Artgerechten Wohlklang erzeugt auch der von 3.6 auf 3.8 Liter Hubraum vergrößerte Sechszylinder-Boxer im Heckabteil, der einer vergrößerten Drosselklappe seinen Zugewinn an Atemluft verdankt. Ein in PS-Leistung und maximalem Drehmoment erstarkter Motor (318 PS, 361 Newtonmeter) erfordert naturgemäß auch ein Plus an aktiver Fahrsicherheit. So mussten die von der Generation 993 zugerüsteten Bremsen durch die Original-Bestückung des 964 Carrera RS ersetzt werden. Nun sieht der Blick durch die Felgenarme fast schon so aus wie 1992 anlässlich der Produktvorstellung. Auch die Fahrzeughöhe entspricht der des einstigen Sportmodells, hervorgerufen durch ein KW-Gewinde-Straßen- Sportfahrwerk in Clubsport-Abstimmung. Die Stabilisatoren steuerte H&R zum Gesamtbild bei: ein außergewöhnlicher Kanon zweier Marktführer auf diesem Sektor.
Das nachgerüstete Sperrdifferenzial im Fünfgang- Schaltgetriebe des Typs G50 sorgt für optimalen Vortrieb ab der Kurvenmitte, die Schaltwege- Verkürzung gewährleistet präzise Gangwechsel und stellt sicher, dass der Hecktriebler in jeder Lebenslage „unter Zug“ bliebt – und damit in der Spur. Dass soll auch in Brasilien so bleiben, wenn das RS-Zitat nach Südamerika ausgeliefert worden ist. Patrick Zimmermann zieht Bilanz: „Ein cooles Projekt, vielleicht nicht ganz so komplex wie ein Backdate-Neunelfer und trotzdem exklusiv genug, um sich auf positive Weise zu unterscheiden.“ Die anfangs fehlende Klimaanlage ist inzwischen an Bord, so dass die Devise lautet: „The Brazilian Ride“. Frei übersetzt: genau das Richtige im Geburtsland des großen Ayrton Senna da Silva.
Quelle: dp Motorsport