Oft, ganz oft wird so ein Allrad-Antrieb in einem Porsche ja belächelt. Wozu? Und dann noch so teuer! Man kennt sie alle, die Aussagen von denen, die eines besseren belehrt werden sollten. Aber was macht den Allrad im Porsche so besonders? Wir waren im finnischen Levi und haben bei Minus 21 Grad auf Eis und Schnee die Spikes in den Schnee gerammt um genau das herauszufinden.
Der Allradantrieb im Porsche 911
Der sportliche Allradantrieb ist eine Porsche-Idee. Erfunden von Ferdinand Porsche im Jahr 1900, immer wieder aufgegriffen, weiterentwickelt und seit 30 Jahren im Serieneinsatz. Im Verlauf von 118 Jahren entstand eines der leistungsfähigsten Antriebssysteme der Welt – das Porsche Traction Management (PTM). Seine modernste Generation ist in 911 Carrera 4, 911 Targa 4 und 911 Turbo, im Cayenne und Macan sowie in den meisten Panamera-Modellen verbaut – jeweils speziell zugeschnitten und auf die spezifischen Anforderungen abgestimmt.
Zurück aufs Eis nach Levi
Driving Experience nennt man das Ganze bei Porsche. Im Grund aber nur ein anderer Begriff für Fahrschule, denn wenn du oben auf dem blanken Eis ankommst, dann hast du genau gar nichts im Griff.
Zum Aufwärmen geht es in den Kreis, gut fünfzig Meter Radius hat es hier und eine Griffigkeit, dass es dich außerhalb des Autos selbst mit angepasstem Schuhwerk nach zwei Meter aufs Gesicht haut. Genau richtig also, damit der miami-blaue Carrera 4 GTS das erste Mal auch außerhalb der Sitzheizung richtig warm wird. Unser Instruktor, Andreas Mayrl, empfiehlt in großer Ruhe, dass man hier besser im Sportmodus fährt, weil Leistung braucht es dann schon. Wenn es schiefgeht und er dich aus der Schneemauer rausfräsen muss, sollten die 450PS am Besten voll und schnell aufgaloppieren.
Und so geht es dann auch rund. Hart ans Gas, den Elfer quer geschickt, kurz am Lenkrad pariert und Maß genommen: Eng ans Bankett ranfahren und Schnee schaufeln. Irgendwann ist der Zweite dann ausgedreht, der Drei Liter schuftet am Drehzahlbegrenzer, als das Funkgerät krächzt: „Wenn die Drehzahl am Ende ist, schaltest einfach einen Gang hoch!“ Mitten im Drift. Warum auch nicht? Das PDK zimmert den Dritten rein, ein deftiger Ruck zieht durch die Fuhre. Die Seitenscheibe ist schon längst von der aus dem Parcours gerissenen Eiswolke verdunkelt, der Tacho zeigt Zahlen jenseits der 200 und du sitzt in mitten dieses Sturms und weinst vor Freude – bloß: es war erst die Übung zum Aufwärmen. Die Reaktion der Maschine lernen, die Griffigkeit des Untergrunds testen und so.
Nach dem warm turnen im Kreis ging es in die Übungssektion, dieses mal aber mit dem Carrera 2 – ein völlig anderes Erlebnis! Slalom fahren – schön das Heck schwingen lassen und warten bis man wieder behutsam ans Gas des racing-gelben GTS geht. Kaum vorstellbar wie sich das gesamte Verhalten zwischen Allrad und Hecktriebler verändert. Nächste Übung: scandinavian flick.
Wir werden auf die erste Handlingsektion entlassen
Forest Track 1, klingt vielversprechend, dazu wieder in der miami-blauen Schönheit mit vier angetriebenen Rädern. Langsam sollen wir es angehen lassen, die Schwünge koordinieren, schließlich geht es jetzt nicht mehr bloß stumpf um ein und denselben Radius. Eh klar, dass wir uns nicht dran gehalten haben. Die ersten Biegeungen: prima. Kontrolle und lässige Driftwinkel. Dann: Katastrophe. Irgendwie machte die Kurve hinterhältig zu. Die Lenkung rasselt an den Anschlag und der tapfere Gaseinsatz sorgt nur für weitere Eskalation. Der folgende Einschlag war heftig. Mit 45 Grad Neigungswinkel gräbt sich der GTS in die Schneemauer.
Ein Cayenne kam zur Hilfe, dabei sah es mehr danach aus, als müsse man einen Hubschrauber zur Bergung schicken. Doch, der Finne macht selten Scherze und wenn er das Seil anhängt, dann kannst du sicher sein, dass er den Bock auch zurück auf die Strecke bringt. In der zweiten Runde wurden wir dann etwas vorsichtiger. Nicht mehr bloß maßlos reinhalten, sondern: Gefühl. Und, oh Wunder, plötzlich lief es wie von selbst. Auf der Bremse das Heck rausschicken, kurz mit der Lenkung einfangen, Gas anlegen und schon bist du im Himmel.
Anschließend ging es darum, das Erlernte in den verschiedenen Konzepten und auf verschiedenen Strecken unter Beweis zu stellen. Egal ob im Panamera turbo oder im Cayman S, jedes Antriebskonzept verhält sich unterschiedlich, keines aber so unfassbar präzise wie das PTM im Allrad-Porsche.
Das Highlight dann zum Abschluss des Tages. Die Krone der Zuffenhausener Schöpfung, der Porsche turbo S, mit kleinem t und großem Herz. Handling 10, eine wundervoll flüssig in die finnische Weite gefräste Rennstrecke. Nun musstest du also nicht nur die Gemütslage der 580PS-Maschine lesen, ihre Gegenpendler vorausahnen und den Kurvenverlauf peilen, sondern auch noch darauf achten, immer ein paar Grad Drosselklappenwinkel in Reserve zu haben. Denn mehr Gas = mehr Schlupf. Und der war so etwas wie deine Lebensversicherung, wenn du mal wieder durch einen auf der Ideallinie liegende Schneehaufen fräsen musstest.
Das alles mit einberechnend war es ein Fest! Fahren auf dem absoluten Höhepunkt. Pure Vollendung bei haarscharfer Balance auf dem dünnstmöglichen Drahtseil. Aber irgendwie auch klar, dass derlei Wahnsinn Opfer fordert. Die eigene Konzentration etwa. Nach spätestens drei Runden riss es die Sicherung. Rien ne va plus. Pendler wurden nicht gefangen, Radien nicht korrekt angepeilt. Spätestens der atemberaubende 360-Grad-Dreher bei Vollgas in der Dritten war Signal genug. Ende. Jetzt.
Bilder: Sebastian Kubatz